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Zuzug in die Schweiz und Hausaufgaben in der Heimat: Reform der Wegzugsbesteuerung in Deutschland

Einleitung

Auswanderungswillige befassen sich meistens nur mit ihrer Zieldestination.

«Zelte» am alten ab- und am neuen Ort aufbauen, ist schon lange nicht mehr ausreichend.

Ein Umzug bzw. Zuzug in einen anderen Staat ist meistens komplexer als gedacht. – Es gilt vorgängig verschiedene Hausaufgaben zu machen, nämlich zuerst jene zu den Folgen des Wegzugs und natürlich auch jene zu rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen am neuen Lebensmittelpunkt.

Agenda

Wegzugsbesteuerung

Die Wegzugsbesteuerung ist in Deutschland durch die Normierungen in § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) geregelt:

  • In subjektiver Hinsicht betroffen sind natürliche Personen, die Ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen möchten und zu deren Privatvermögen Anteile an Kapitalgesellschaften gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG zählen.

Bisheriges Recht

  • War der Steuerpflichtige
    • während der letzten zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig und
    • hatte er Anteilsbesitz an einer Kapitalgesellschaft während der vergangenen 5 Jahre von mindestens 1 %
    • waren bei einem Wegzug die Voraussetzungen für die Besteuerung erfüllt.
  • Unerheblich waren:
    • die Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen;
    • der Sitzstaat der Kapitalgesellschaft (inländische oder ausländisch).
  • Bei einem Wegzug kam es somit zur Besteuerung auf Grundlage der Annahme einer fiktiven Anteilsveräusserung.
  • Damit entstand eine steuerliche Belastung ohne Liquiditätszufluss.

Geänderte rechtliche Grundlagen

Reform

Der Deutsche Bundestag hat am 25.06.2021 beschlossen:

  • das Gesetz zur Umsetzung der europäischen Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATADUmsG) beschlossen;
  • in diesem Gesetz  – über die Vorgaben der EU-Anti-Steuervermeidungsrichtlinie hinaus – die Bestimmungen zur Wegzugssteuer für im Privatvermögen gehaltene Beteiligungen verschärft.

Formulierung des Reform- bzw. Gesetzes-Gegenstands

«Maßnahmenpaket gegen gängige Formen aggressiver Steuerplanung mit unmittelbaren Auswirkungen auf den Binnenmarkt: Regelungen zur Entstrickungs- und Wegzugsbesteuerung, punktuelle Anpassung bei der Hinzurechnungsbesteuerung zur Verhinderung der Verlagerung passiver Einkünfte ins niedrig besteuernde Ausland, Neutralisierung von Besteuerungsinkongruenzen bei hybriden Gestaltungen;
Änderung und Einfügung versch. §§ Einkommensteuergesetz, Änderung §§ 8b, 12 und 34 Körperschaftsteuergesetz, §§ 7, 8, 9 und 36 Gewerbesteuergesetz, §§ 43 und 57 Investmentsteuergesetz sowie versch. §§ Außensteuergesetz»

Verkündetes Gesetz

Das Gesetz wurde im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021 Teil I Nr. 37, ausgegeben zu Bonn am 30.06.2021, verkündet:

Inkrafttreten der geänderten rechtlichen Grundlagen

Die Reform der Wegzugsbesteuerung ist am 01.01.2022 in Kraft getreten (vgl. (§ 21 Abs. 1 AStG-neu).

Die reformierte Wegzugsbesteuerung gilt dem Vernehmen nach für alle Wegzüge seit dem 01.01.2022.

Die Änderungen aus der Reform

Die wesentlichsten Änderungen sind:

Änderung des subjektiven Anwendungsbereichs

  • Bisher griff die Wegzugsbesteuerung dann, wenn der aus Deutschland wegziehende Steuerpflichtige in Deutschland mindestens zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war.
  • Die neue Regelung dehnt den persönlichen Anwendungsbereich aus.
  • Neu findet die Wegzugsbesteuerung Anwendung, wenn für den wegziehenden Steuerpflichtigen während der vergangenen 12 Jahre für mindestens 7 Jahre eine unbeschränkte Steuerpflicht bestanden hat.

Verschärfung der Stundungsregelungen

  • Bisher profitierten in einen EU-/EWR-Staat wegziehende Steuerpflichtige bei Wegzug von einer zinslosen, zeitlich unbefristeten und sicherstellungsfreien Stundungsmöglichkeit.
  • Neu ist die Wegzugssteuer im Regelfall bzw. grundsätzlich sofort mit dem Wegzug fällig.
  • Der betroffene Steuerpflichtige kann allerdings gegen eine Sicherheitsleistung eine zinslose Stundung zu beantragen, wobei die Steuerschuld in sieben Jahresraten zu bezahlen ist.

Rückkehrregelung

  • Gemäss bisherigem Recht entfiel die Wegzugsbesteuerung, wenn der weggezogene Steuerpflichtige innerhalb von 5 Jahren seinen Wohnsitz zurück nach Deutschland verlegte.
  • Im neuen Recht sind die Rückkehrvoraussetzungen nach Wegzugsdauer, Sicherstellung, Verlängerungserlaubnis und EU-/EWR-Bezug anders geregelt.
  • Es würde den Rahmen dieser Information sprengen, hier auf die Einzelheiten einzugehen. Dies wird Sache des deutschen Steuerberaters des rückzugswilligen Steuerpflichtigen sein.

Hausaufgaben vor dem Zeltabbrechen

Plant ein Unternehmer den Wegzug aus Deutschland, sollte er sich durch einen fachkundigen Steuerberater dabei beraten lassen.

  • Dem Vernehmen nach sollen unterschiedliche Möglichkeiten zur Vermeidung einer Wegzugsbesteuerung bestehen.
    • Bedarfsprüfung
    • Gestaltung
    • Strukturierung bzw. Umstrukturierung
    • Stiftungslösungen.
  • Ob und inwieweit die Erwägungen des EuGH-Entscheids vom 26.06.2019 (C-581/17) unter neuem Recht anwendbar ist, müsste der deutsche Steuerberater beurteilen.

Hausaufgaben für den künftigen Zeltstandort

Auch ein Zuzug in die Schweiz will geplant sein:

  • Unternehmer-Wohnsitz
    • Wohnort (Stadt, Land, Kultur- und Vergnügungsnähe)?
    • Steuerlast?
    • Steuerart
  • Unternehmens-Sitz bzw. -Standort der in der Schweiz neu zu gründenden Gesellschaft(en)
    • Strukturen?
    • Wirtschaftlicher Fokus?
    • Marketing-Fokus? (Frage, in welchen Wirtschaftsregionen die potentiellen Kunden „sitzen“)
    • Sprachlicher Fokus? (4 Landessprachen in der Schweiz, mit Reflex auf Betriebs-Software, Sprachkenntnisse zu entsendender Mitarbeiter uam.)
    • F&E-Fokus? (Standorte der relevanten Hochschulen und Branchen-Cluster)
    • Steuerlicher Fokus?
    • uam.

Vorauslaufend sollten aber die Wegzugs-Beratung und das Konzept am bisherigen „Zeltstandort“ erledigt sein.

Fazit

Die Reform der Wegzugsbesteuerung stellt international agierende und / oder in mehreren Ländern ansässige Unternehmer oft vor erhebliche Herausforderungen.

Der Wegzug aus Deutschland erfordert eine umfassende Beratung durch einen sach- und fachkundigen Berater des deutschen Steuerrechts.

Weiterführende Informationen

s.e.&o. – ohne Gewähr.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam