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Familienstandort Schweiz – Fortpflanzungsmedizin: Ausschluss unverheirateter Paare und Alleinstehender

Ein Wissensthema für familienplanende Zuzüger

Einleitung

Für Personen in Beziehung oder alleinstehend ist die Familienplanung – unabhängig vom Wohn- oder Aufenthaltsort – oft ein Thema. Ist es einem Paar oder einer Person verwehrt, Kinder natürlich zu zeugen, hilft die sog. «Fortpflanzungsmedizin». – Die rechtlichen Rahmenbedingungen und Zulässigkeiten sind von Land zu Land verschieden. Dieser Beitrag soll über die aktuelle Rechtslage in der Schweiz und ihre in einer Studie festgestellten Defizite informieren.

Unverheiratete oder alleinstehende Zuzüger mit Interesse an einer Familiengestaltung

Ausländische Zuzüger, die in die Schweiz ziehen und hier eine Familie gründen wollen, müssen bei ihrer Familienplanung wissen,

  • dass in der Schweiz derzeit unverheiratete und alleinstehende Personen von der Fortpflanzungsmedizin ausgeschlossen sind;
  • dass in der Schweiz die «Personenstandsliberalisierung» aufgrund bloss punktueller legislativer Eingriffe nicht einheitlich harmonisiert ist und, dass das bisherige Lebensmodell der «Ehe», auch mit Blick auf Nachkommen, noch favorisiert wird.

LAWNEWS-Beitrag vom 27.10.2022

Im Beitrag unserer Verlagsredaktion vom 27.10.2022 in LAWNEWS unter dem Titel

«Ist der Teilnahmeausschluss unverheirateter Paare und Alleinstehender von der Fortpflanzungsmedizin diskriminierend?»

befassten wir uns mit der Frage, ob der Ausschluss unverheirateter oder in einer gleich- oder in einer gemischt-geschlechtlichen Beziehung oder in einem Konkubinat lebender Personen mit folgenden Erlassen vereinbar ist:

  • Diskriminierungsverbot (BV 8 Abs. 2);
  • Recht auf Achtung des Privat- und des Familienlebens (EMRK 8);
  • Recht auf Eheschliessung und Familiengründung (EMRK 12).

Vgl.

In einer Gedanken-Studie wurden nicht nur die Bezüge zu den hievor erwähnten «Garantien» hergestellt, sondern auch die massgebenden Anknüpfungspunkte herausgearbeitet.

«Gedanken-Studie»

Frau Prof. Alexandra, Ordentliche Professorin für Zivilrecht an der Universität Freiburg i.Ü., gelangt in ihren «Gedanken zur Diskriminierung aufgrund der Lebensform» zusammengefasst zu folgenden Schlüssen:

  • Das sensible Merkmal der Lebensform in Art. 8 BV knüpfe an die Grundrechte
    • auf persönliche Freiheit;
    • auf Privatsphäre;
    • auf Ehe und Familie.
  • Der Staat dürfe daher ohne besonders qualifizierten Grund nicht daran anknüpfen,
    • ob jemand verheiratet sei oder nicht;
    • ob jemand in einer gleich- oder in einer gemischtgeschlechtlichen Beziehung lebe;
    • ob jemand allein lebe;
    • ob jemand in einem Konkubinat lebe;
    • ob jemand in einer Wohngemeinschaft mit mehreren Personen lebe.
  • Der de lege lata bestehende Ausschluss von Einzelpersonen und von nicht verheirateten Paaren sei diskriminierend.

Politischer Aufschub

Frau Prof. Alexandra Jungo hofft daher, dass der nationale Gesetzgeber diese Diskriminierungen in Zukunft aufheben werde. Einzelne Bestrebungen würden bereits in diese Richtung gehen.

Dabei weist sie in FN 61 ihres Beitrages auf folgendes politisches Geschäft hin:

Die Interpellation wurde jedoch im Ratskalender als erledigt abgeschrieben.

Für FamPra.ch-Abonnenten zur «Gedanken-Studie»

Primärquelle der «Gedanken-Studie»

  • JUNGO ALEXANDRA, Ausschluss unverheirateter Paare und Alleinstehender vom Zugang zur Fortpflanzungsmedizin, in: FamPra.ch 3/2022, S. 573 ff.

«Umgehung» über eine ausländische Leihmutterschaft – Neue Bundesgerichtspraxis

In einem neueren Entscheid hat das Schweizerische Bundesgericht, v.a. im Zusammenhang mit der Nachführung des Personenstandsregisters, der Kindesanerkennung und der Stiefkindadoption, die Stellung von Vater und Wunsch-Mutter in der Schweiz geklärt:

Der guten Ordnung halber sei auf ein zuvor ergangenes Urteil des Bundesgerichts verwiesen:

Fazit

Fortpflanzungsinteressierten Unverheirateten und Alleinstehenden bleibt derzeit nur, zu beobachten,

  • ob der nationale Gesetzgeber das Fortpflanzungsrecht harmonisiert, oder
  • ob betroffene Personen den Ausschluss vom Zugang zur Fortpflanzungsmedizin ans Bundesgericht oder vielmehr an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EMGR) weiterziehen, dort eine Verletzung der EMRK geltend machen und den Harmonisierungsweg einleiten.

Quelle

LawMedia Redaktionsteam