Angebot für Steuervergünstigung
Einleitung
Im Rahmen der Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF) wurde neu Art. 25a ins Steuerharmonierungsgesetz (StHG) aufgenommen.
Die Kantone können seit dem STAF-Inkrafttreten gestützt auf Art. 25a StHG den Forschungs- und Entwicklungsaufwand (kurz: F&E-Aufwand), der einer steuerpflichtigen Person – direkt oder durch Dritte im Inland indirekt – entstanden ist, um maximal 50% über den geschäftsmässig begründeten F&E-Aufwand hinaus zum Abzug zulassen.
Agenda
- Einleitung
- Definition
- Rechtsnatur
- Ziel + Zweck
- Einführung in vielen Kantonen
- Verbreitung
- Geltungsbereich
- Qualifizierender F&E-Aufwand
- Umfang des «F&E-Zusatzabzugs»
- Wirkung nur bei den Kantons- und Gemeindesteuern
- Nachträglicher Wechsel zur sog. «Patentbox»
- Fazit
- Gesetzesbestimmungen
- Weiterführende Informationen
Definition
StHG 25a ermöglicht den Kantonen, Forschungs- und Entwicklungsaufwand über den geschäftsmässig begründeten Umfang hinaus zum Abzug zuzulassen:
- F&E-Aufwand kann somit für Gewinnsteuerzwecke mehrfach in Abzug gebracht werden.
In der Steuerrechtslehre wird daher in diesem Zusammenhang auch gesprochen von
- Mehrfachabzug
- Überabzug,
- Sonderabzug,
- Superabzug (Super Deduction) oder eben
- Zusatzabzug.
Im Folgenden wird hier der Begriff «F&E-Zusatzabzug» verwendet.
Rechtsnatur
Beim «Zusatzabzug» handelt es sich – abweichend vom Massgeblichkeitsprinzip – um einen für kantonale Gewinnsteuerzwecke «fiktiven» Abzug zur Ermittlung der Steuerbemessung, jedoch ohne Auswirkungen auf die Kapitalsteuer.
Vgl. Brülisauer, FStR 2020, 321.
Ziel + Zweck
Ziel und Zweck des steuerlichen Förderinstruments von StHG 25a ist die Schaffung eines niederschwelligen und unbürokratischen Anreizes, die Forschung und Innovation in der Schweiz zu begünstigen.
Einführung in vielen Kantonen
StHG 25a ist eine sog. «Kann-Vorschrift» und damit für die Kantone «fakultativ».
Seit Inkrafttreten des STAF bzw. von StHG 25a Abs. 1 haben viele Kantone den «F&E-Zusatzabzug» in ihre Steuergesetze aufgenommen.
Abzugsumfang des qualifizierenden F&E-Aufwands (Stand 30.06.2023)
Kantone | «F&E-Zusatzabzug» |
AI, BS, GL, LU, NW, SH, UR | 0 % |
BL | 20 % |
TG | 30 % |
SG | 40 % |
Alle übrigen Kantone | 50 % |
Anmerkung:
Es empfiehlt sich, im Bedarfszeitpunkt die aktuelle kantonale Steuergesetzgebung hinsichtlich Gewährung und Höhe des «F&E-Zusatzabzugs» zu prüfen.
Verbreitung
Die Unbekanntheit des Instruments und die hohen Dokumentierungs-Anforderungen der kantonalen Steuerbehörden führten zu einer bisher beschränkten Verbreitung des Instruments.
Eine repräsentative Umfrage von Carlos Hofer bei den Kantonen hat ergeben, dass der «F&E-Zusatzabzug» in der Anfangsphase nur wenig in Anspruch genommen wurde (vgl. https://ile.unisg.ch/wp-content/uploads/2022/10/15-WP-Hofer.pdf)
Geltungsbereich
Der «F&E-Zusatzabzug» ist, sofern und soweit ein Kanton diesen eingeführt hat, für alle juristischen Personen bei erfüllten Voraussetzungen anwendbar:
- für alle schweizerischen juristischen Personen
- mit unbeschränkter Steuerpflicht
- infolge Sitzes im betreffenden Kanton oder
- tatsächlicher Verwaltung im entsprechenden Kanton sowie
- mit unbeschränkter Steuerpflicht
- für ausländische und ausserkantonale juristische Personen
- mit beschränkter Steuerpflicht im betreffenden Kanton.
Für natürliche Personen als Unternehmer vgl. StHG 10a.
Qualifizierender F&E-Aufwand
Abgrenzung von nicht qualifizierender Tätigkeit
Die Anwendung von StHG 25a ist insofern herausfordernd, als qualifizierende F&E-Projekte von einer nicht qualifizierenden Tätigkeit abzugrenzen sind und eine Auslegung des Begriffs «Forschung und Entwicklung» erfordern.
Folgende drei Auslegungs- bzw. Hilfsmittel werden Anwendung finden:
- der Verweis in der Botschaft zur SV17
- (siehe «Weiterführende Informationen» unten)
- die sehr ähnliche Definition von F&E in Art. 2 des Bundesgesetzes über die Förderung der Forschung und Innovation (FIFG)
- (siehe «Gesetzesbestimmungen» unten)
- das «OECD Frascati-Handbuch»
- (siehe nachfolgend und bei «Weiterführende Informationen» unten)
«Frascati»-Kriterien
Das «OECD Frascati-Handbuch» stand Pate für die Definition von «F&E» im FIFG.
Daher ist das «OECD Frascati-Handbuch»für die Feststellung, ob eine für den «F&E-Zusatzabzug» qualifizierende F&E-Tätigkeit vorliegt, berufen.
Das «OECD Frascati-Handbuch» verlangt, dass eine F&E-Tätigkeit kumulativ (1) neuartig, (2) schöpferisch, (3) ungewiss, (4) systematisch sowie (5) übertragbar und/oder reproduzierbar ist.
Diese fünf Kriterien werden in den Klammerbemerkungen kurz erörtert:
(1) Neuartigkeit (Gewinnung von neuen Erkenntnissen, auch für die Schweiz als Land)
(2) Schöpferische Tätigkeit (Erhöhung des bestehenden Wissensbestandes mit neuen (originären) Konzepten und/oder Ideen)
(3) Ungewisses Endergebnis (Tätigkeit, deren Aufwände (Kosten- und Zeitaufwand) und deren Zielerreichung sich nicht zum Voraus genau bestimmen lassen)
(4) Systematisches Vorgehen (Dokumentierung von Planung + Budgetierung)
(5) Übertragbarkeit / Reproduzierbarkeit (Übertragbarkeit und Einsetzbarkeit für andere Forschende in F&E-Tätigkeiten)
Es ist davon auszugehen, dass die Steuerbehörden zwingend alle fünf «Frascati-Kriterien» voraussetzen werden.
Frascati-Handbuch 2015
Leitlinien für die Erhebung und Meldung von Daten über Forschung und experimentelle Entwicklung
Als international anerkanntes Standardwerk zur Methodik der Erhebung und Verwendung von FuE-Statistiken ist das Frascati-Handbuch der OECD ein wesentliches Instrument für Statistiker und wissenschafts- und innovationspolitische Entscheidungsträger weltweit. Es umfasst Definitionen der grundlegenden Konzepte, Leitlinien für die Datenerhebung und Klassifikationen für die Erfassung von FuE-Statistiken. Diese aktualisierte Ausgabe des Handbuchs enthält überarbeitete Leitlinien, die den jüngsten Veränderungen bei der Durchführung und Finanzierung von FuE sowie der verstärkten Nutzung von FuE-Statistiken und -Definitionen Rechnung tragen. Darüber hinaus bietet die vorliegende Ausgabe neue Kapitel zu den praktischen Aspekten der Erhebung von FuE-Daten in verschiedenen Sektoren ebenso wie neue Leitlinien für die Erfassung verschiedener Aspekte der staatlichen FuE-Förderung, wie z.B. Steueranreize.
Quelle: https://www.oecd.org/sti/frascati-handbuch-2015-9789264291638-de.htm
Nicht vom «F&E-Zusatzabzug» erfasste Teilleistungen
Nicht als Teile «qualifizierender F&E» gelten Tätigkeiten im Projektzyklus, welche unmittelbar vor- bzw. nach dem eigentlichen F&E-Engagement stattfinden, wie:
- Patentanmeldung
- Lizenzierung bzw. Patentmanagement
- Marktforschung und Markteinführung
- Herstellung der Produktionswerkzeuge
- Produktion
- etc.
Umfang des «F&E-Zusatzabzugs»
Die Norm von StHG 25a lässt – entsprechende kantonale Legiferierung vorausgesetzt – den Zusatzabzug «um höchstens 50 Prozent über den geschäftsmässig begründeten Forschungs- und Entwicklungsaufwand hinaus» zu.
Die F&E-Aufwendungen sind – wie alle anderen geschäftsmässig begründeten Aufwendungen – bei der Ermittlung des steuerbaren Gewinns abzugsfähig (vgl. Botschaft SV17, 2551).
Für das Berechnungsvorgehen zur Ermittlung des «F&E-Zusatzabzugs» sei auf die instruktiven Ausführungen von LIVIO BUCHER, Zusatzabzug für F&E nach Art. 25a StHG, in: SteuerRevue 5/2023, Ziffer 6, verwiesen.
Wirkung nur bei den Kantons- und Gemeindesteuern
Auf Steuerstufe des Bundes wird kein «F&E-Zusatzabzug» gewährt.
Bei der Anwendung des «F&E-Zusatzabzugs» können daher der steuerbare Reingewinn für die direkte Bundessteuer und für die Kantons- und Gemeindesteuern auseinanderfallen.
Nachträglicher Wechsel zur sog. «Patentbox»
Die Geltendmachung des «Zusatzabzugs für F&E» schliesst eine spätere Beanspruchung der sog. «Patentbox» für das Resultat des F&E-Projekts (d.h. die Lizenzierung eines Patents) zwar nicht aus, führt aber dazu, dass die bereits geltend gemachten F&E-Aufwendungen und damit auch der «F&E-Zusatzabzug» nach StHG 25a beim Eintritt in die «Patentbox» als Gewinn besteuert wird (sog. ‹Eintrittskosten›)(vgl. Bertschinger/Mühlemann, Die neue Patentbox – bundesrechtliche Vorgaben und kantonale Umsetzung, StR 2020, 178 ff., 190 ff.
Der nachträgliche Wechsel zur «Patentbox» führt bei einer vorherigen Geltendmachung des «F&E-Zusatzabzugs» zu Kosten für ein Unternehmen.
Fazit
Der Bundesgesetzgeber hat mit StHG 25a eine niederschwellige, bei den Kantons- und Gemeindesteuern wirkende Vergünstigung eingeführt, die insbesondere den in der Schweiz ansässigen Unternehmen zugutekommen soll.
Gesetzesbestimmungen
Art. 25a StHG Zusätzlicher Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwand
1 Die Kantone können auf Antrag Forschungs- und Entwicklungsaufwand, welcher der steuerpflichtigen Person direkt oder durch Dritte im Inland indirekt entstanden ist, um höchstens 50 Prozent über den geschäftsmässig begründeten Forschungs- und Entwicklungsaufwand hinaus zum Abzug zulassen.
2 Als Forschung und Entwicklung gelten die wissenschaftliche Forschung und die wissenschaftsbasierte Innovation nach Artikel 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 2012 über die Förderung der Forschung und Innovation.
3 Ein erhöhter Abzug ist zulässig auf:
a. dem direkt zurechenbaren Personalaufwand für Forschung und Entwicklung, zuzüglich eines Zuschlags von 35 Prozent dieses Personalaufwands, höchstens aber bis zum gesamten Aufwand der steuerpflichtigen Person;
b. 80 Prozent des Aufwands für durch Dritte in Rechnung gestellte Forschung und Entwicklung.
4 Ist der Auftraggeber der Forschung und Entwicklung abzugsberechtigt, so steht dem Auftragnehmer dafür kein Abzug zu.
Art. 10a StHG Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwand bei selbstständiger Erwerbstätigkeit
Für den Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwand bei selbstständiger Erwerbstätigkeit ist Artikel 25a sinngemäss anwendbar.
Art. 2 FIFG Begriffe
In diesem Gesetz bedeuten:
a. wissenschaftliche Forschung (Forschung): die methodengeleitete Suche nach neuen Erkenntnissen; sie umfasst namentlich:
1. Grundlagenforschung: Forschung, deren primäres Ziel der Erkenntnisgewinn ist,
2. anwendungsorientierte Forschung: Forschung, deren primäres Ziel Beiträge für praxisbezogene Problemlösungen sind;
b. wissenschaftsbasierte Innovation (Innovation): die Entwicklung neuer Produkte, Verfahren, Prozesse und Dienstleistungen für Wirtschaft und Gesellschaft durch Forschung, insbesondere anwendungsorientierte Forschung, und die Verwertung ihrer Resultate.
Weiterführende Informationen
- STAF-Innovationsförderung / Umfrage
- StHG 10a + StHG 25a
- StHG 25a
- EICHENBERGER OLIVIER / BELLWALD BENJAMIN, StHG, Basel 2022, Art. 25a StHG | Zusätzlicher Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwand
- BUCHER LIVIO, Zusatzabzug für F&E nach Art. 25a StHG, in: SteuerRevue 5/2023, S. 354 ff.
- Botschaft zur SV17
- Frascati-Handbuch
- STAF allgemein
- STAF-Inkrafttreten
- STAF bezüglich F&E
- SSK, Analyse zum zusätzlichen Abzug von Forschungs- und Entwicklungsaufwand nach den Art. 10a und Art. 25a Steuerharmonisierungsgesetz vom 4.6.2020, 7 f.
- STAF bezüglich Patentbox
Quelle
LawMedia Redaktionsteam