Unsere Schweizer Dialekte sind ein zentraler Bestandteil der deutsch-schweizerischen Identität.
Die regionale Herkunft aber auch die Identität von Deutsch-Schweizerinnen und Deutsch-Schweizer sind stark mit dem regionalen Dialekt verknüpft. Auch in Textnachrichten schreiben die Menschen zunehmend in Dialektsprache.
Forschungsprojekt zu Schweizer Dialekten
Ein Forschungsprojekt der Universität Bern widmete sich der spannenden Frage, ob heute anders gesprochen wird als früher.
In den letzten Jahren wurden dazu in über hundert Ortschaften mehr als tausend Personen in Dialektinterviews zu ihren regionalen Sprachgewohnheiten befragt.
Auf dieser Datengrundlage ist ein Atlas (dialektatlas.ch) entstanden, der auf über 500 Karten darstellt:
- Wie haben sich die Dialekte verändert?
- Wo zeichnen sich neue Entwicklungen ab?
- Was ist stabil geblieben?
Tendenzen bzgl Veränderung / Stabilität
Die Karten zeigen zwei durchgängige Tendenzen:
- Die Veränderung resp. die Stabilität hängt stark vom untersuchten Phänomen ab:
- kaum Veränderung einiger Wörter sowie Lautungen,
- andere Wörter und Lautungen heute jedoch ganz anders verteilt als früher.
- Grundsätzlich lässt sich aber folgendes feststellen:
- Grössere Veränderungen im Wortschatz als in Lautung und Grammatik.
Folgend zwei Fallbeispiele um den Wandel resp. die Stabilität aufzuzeigen:
Fallbeispiel 1: Kater
Ein Beispiel für einen deutlichen Wandel ist das Wort für den «Kater»:
Bildquelle: dialektatlas.ch
Erläuterung:
Karte 1 oben zeigt:
- regionale Verteilung des Wortes «Kater» bei Personen, die etwa zwischen 1870 und 1900 geboren wurden
- Daten aus einer Befragung um die Mitte des letzten Jahrhunderts
Karte 2 oben zeigt:
- die Daten von Millennials, geboren etwa zwischen 1985 und 2002.
Erkenntnisse:
- Abnahme der sprachlichen Vielfalt
- Durchsetzung der Standard-Form «Kater»
- Begriff «Röiel» kaum noch verbreitet
- Mögliche Abstammung vom Verb «rau(w)e» (miauen, heftig betteln)
- Begriff «Moudi/Maudi» kann sich noch etwas halten
- Mögliche Abstammung vom Verb «mudere» (murren, schnurren)
Hinweis:
«Kater» kann umgangssprachlich auch das Unwohlsein und die Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit eines Menschen infolge übermässigen Alkoholkonsums bedeuten (Aloholintoxikation) (vgl. wikipedia.org).
Fallbeispiel 2: Käse
Ein Beispiel für die Stabilität ist der Vokal «ää» im Wort «Käse»:
Bildquelle: dialektatlas.ch
Erläuterung:
Karte 1 oben zeigt:
- regionale Verteilung des Vokals «ää» im Wort «Käse», bei Personen, die etwa zwischen 1870 und 1900 geboren wurden
- Daten aus einer Befragung um die Mitte des letzten Jahrhunderts
Karte 2 oben zeigt:
- die Daten von Millennials, geboren etwa zwischen 1985 und 2002.
Erkenntnisse:
- Verteilung des Vokals «ää» blieb über fast hundert Jahre weitgehend unverändert:
- Raum Zürich: «Chèès» mit offenem «èè»
- Im Westen und im Süden: «Chääs»
- Im Sarganserland «Cheis»
- Im Wallis «Chees» mit geschlossenem «ee»
Fazit
Eine höhere Frequenz im Sprachgebrauch führt typischerweise zu Stabilität:
- Ein Laut (wie im Beispiel der Vokal «ää») tritt im Sprachsystem häufig auf, weshalb eine Veränderung mit grossem Aufwand verbunden wäre.
- Auf der anderen Seite: Wie oft verwendet man ein spezifisches Wort wie zB «Kater» im Alltag
Der Gesamteindruck eines spezifischen Dialekts wird demnach stärker durch Lautung und Grammatik geprägt als durch Einzelwörter, welche eher einer Veränderung ausgesetzt sein können.
Veröffentlichung Dialektatlas
Der Dialektatlas erscheint im November 2024 und wird ebenfalls kostenlos als Download verfügbar sein.
Weiterführende Informationen
- Dialekt im Wandel
- Schweizerdeutsch damals und heute | nzz.ch
- Dialektatlas | dialektatlas.ch
- Schweizerdeutsch / Dialekte / Sprache
- Bevölkerung, Landessprachen und Religionen
- Bevölkerung / Sprache – Schweizerische Sprichwörter und Redewendungen
- Sprache – Helvetismen oder der landestypische Sprachschatz
- Sprache – Uf Schwyzerdütsch?
- Hans Bickel / Christoph Landolt: Schweizerhochdeutsch
- Heinz Gallmann: Zürichdeutsches Wörterbuch
- Bevölkerung / Sprache – Putsch: Ein Schweizerwort
- Bevölkerung – Woran erkennt man Schweizer im Ausland
Quelle
LawMedia Redaktion